Mühlengeschichten
Das erste Mal
Es ist bekanntlich nicht so leicht, als „Neuer“ in einer eingeschworenen Truppe Aufnahme zu finden. Darum hatte ich lange gezögert, im Mühlenverein um Einlass zu bitten. Dann las ich eine
kurze Notiz in der Lokalpresse, die den Frühjahrsputz in der Zainhammer Mühle an einem Sonnabend ankündigte. Auch Interessierte seien willkommen. Also kratzte ich meinen ganzen Mut zusammen und fuhr mit dem Trabbi vor. Als ich dort ankam und meine Mithilfe anbot, verstummten die heiteren Gespräche des überschaubaren Grüppchens. Die meisten gingen wortlos mit ignoranter Mine an mir vorbei. Nur der offensichtliche „Oberboss“ stand im Türrahmen, musterte mich ausgiebig, kramte dann in Zeitlupe einen 20 D-Mark-Schein aus seiner Hosentasche hervor und wies mich an, weiße Wandfarbe zu kaufen.
Konsterniert und ebenso wortlos trottete ich mit dem Geldschein von dannen. Erst hinter dem Lenkrad meines Fahrzeugs war ich in der Lage, die Situation zu verarbeiten. Keine Sau interessierte sich dafür, wie ich heiße, was ich denn so an künstlerischen Dingen vorzuweisen habe, oder gar, wo ich wohne. Es war nur interessant, dass ich einen fahrbaren Untersatz und somit Transportkapazitäten besitze.
Um es kurz zu machen. Die Kenntnis, wo man in Eberswalde am günstigsten Farbe für den Innenbereich erwerben kann, gehörte damals noch nicht zu meinem bevorzugten Wissen. Ich wollte es ganz besonders richtig machen und klapperte erst einmal alle mir bekannten Verkaufseinrichtungen ab, um einen ausgiebigen Preis-Leistungsvergleich zu erarbeiten. Kurz vor dem sonnabendlichen Verkaufsschluss hatte ich meinen Einkauf getätigt, und in der vagen Hoffnung, dass meine kaufmännische Leistung, ein paar Groschen eingespart zu haben, bei den wortkargen Mühlenfreaks auf eine positive Resonanz stoßen würde, trat ich die Rückfahrt an. In der Mühle waren die Frühjahrsputzaktivitäten weitestgehend abgeschlossen. Ich kam gerade noch rechtzeitig zur obligatorischen Schmalzstullenvesper und wusste: „hier werde ich nicht alt“.
Erst nach vielen Mühlenjahren gestand mir Andreas Bogdain, dass er an jenem Tag bereits davon überzeugt war, dass der „Namenlose“ sich mit dem Geld aus dem Staub gemacht hatte. Ich brauchte jedenfalls nie wieder Farbe für den Verein zu kaufen. Doch wenn ich mir die Aufnahmeproben bei den nach mir Dazugekommenen betrachte, muss ich sagen: ich hatte noch Glück.
Als Micky Weimann sich zum ersten Mal in der Mühle blicken ließ, erhielt sie die Aufgabe, Kaffee für alle zu kochen. Mit der lapidaren Bemerkung, es gäbe noch keinen Wasseranschluss, zeigte der „Große Vorsitzende“ ihr den Standort der Kaffeemaschine. Vielleicht hätte man ihr wenigstens noch mitteilen sollen, dass sich das Trinkwasser in einem weißen Plastekanister befindet und dass wir mit dem Zinkeimer nur das Brauchwasser aus dem Mühlenteich zu schöpfen pflegen. Aber wer fragt, hat schon verloren. Erst spät klärte sich das Informationsdefizit auf. Es war trotzdem der aromatischste Kaffee, den ich in der Mühle je getrunken habe.