Erstes Leben: Der Eisenhammer 1779–1824
Abnehmer der Zaine waren die Messerschmiede der Eisen- und Stahlwarenfabrik in der Vorstadt (heute Ruhlaer Straße und Schicklerstraße), kurz „Fabrik“ genannt. Friedrich II. hatte die Handwerker und ihre Familien 1743 aus Thüringen und dem Rheinland hier angesiedelt und diese Manufaktur 1765 Splitgerber & Daum unter den Bedingungen geschenkt, die Arbeiter ständig zu beschäftigen, ihnen ihre Produkte garantiert abzukaufen und ihnen dafür Schmiedeeisen zu liefern. Als Gegenleistung wollte er mit Einfuhr- und Handelsverboten ausländischer Waren die Firmeninteressen schützen.
Dieses Merkantilismus genannte Wirtschaftsmodell führte jedoch bereits damals zu ökonomischen Problemen. Heynitz bemerkte 1786: „Die Fabrik von Messern, Scheren, Vorlegeschlössern und eisernen Geräthschaften in der Vorstadt von Neustadteberswalde […] beschäftigen zwar viele Hände; ihr Monopolium ist aber für das Publikum nachtheilig, weil ihre Waaren von minderer Güte, und viel theurer sind, als die in der Grafschaft Mark“ (ein Gebiet zu beiden Seiten der Ruhr) 3). Bereits 1769 lagerten im Magazin der „Fabrik“ unverkaufte Waren im Wert von 14 000 Talern. Jährlich nahm diese Summe um 5 000–6 000 Taler zu 4).
Auch der Standort des neuen Eisenhammers war nicht ideal. Vom Finowkanal, der Lebensader der Eberswalder Industrie, bis zum Zainhammer mussten Fuhrwerke 3 km weit fahren. Außerdem lag der Ort in Hauptwindrichtung vor der Stadt. Der Rauch des Schmiedefeuers wehte bis in die Stadt hinein. Und er lag an der Schwärze flussaufwärts, so dass die Abwässer zwangsläufig durch Eberswalde flossen.
Andererseits war die Schwärze die Energiequelle für die Wasserräder des Zainhammers. Von zahlreichen Quellen gespeist, wand sie sich durch ein klimatisch begünstigtes Moor- und Waldgebiet, führte im Sommer ausreichend Wasser und fror im Winter selten zu. In ihrem Tal konnte man das Wasser mit einem Damm auf etwa 2½ m Höhe anstauen. Gutes Holz als Baumaterial und für Holzkohle wuchs im angrenzenden königlichen Biesenthaler Forst. Sehr viel Holzkohle war notwendig, da man fast 2 kg dafür verbrannte, um 1 kg Zaineisen herzustellen.
Ab 1780 vertraute Schickler auf die zukünftige Unterstützung durch seinen König, verknüpfte den Zainhammer auf Gedeih und Verderb mit der „Fabrik“ und begann Zaine zu schmieden. Sie maßen etwa 1¼ × 1¼ cm im Querschnitt und 2–3 m in der Länge. Jährlich erzeugte der Hammer 20 600–25 800 kg Zaineisen, rechnerisch also 30–40 Stück am Tag. Die Anlage umfasste damals ein Hammergebäude, ein Magazin für Materialien und ein Wohngebäude für Arbeiter. Im Hammergebäude befanden sich ein Stab- und ein Zainhammer, eine Esse sowie ein Blasebalg. Hämmer und der Blasebalg wurden durch drei oberschlächtige Wasserräder angetrieben.
Bald nach der Inbetriebnahme unserer Zainhammermühle entwickelte sich europaweite Konkurrenz. Nach dem Dritten Schlesischen Krieg (1756–1763) hatte der Preußische König die bis dahin völlig unbedeutenden Eisenhütten in dem nun preußischen Oberschlesien stetig gefördert. Als es in England gelang, schmiedbares Eisen mit Koks aus Steinkohle zu erzeugen, begann dort dessen Massenproduktion. Diese modernen Verfahren wurden zeitnah auch in Schlesien ausprobiert. 1805 standen Schlesiens Hüttenwerke an der Spitze der deutschen Eisenindustrie.
Im Jahr 1807 wurde Preußen von Napoleon besiegt. Auch die Bürger in Eberswalde mussten Kontribution zahlen, feindliche Soldaten unterbringen und verköstigen. Vermutlich fanden die Soldaten auch den Zainhammer und plünderten Brauch- und Essbares. Den Menschen mangelte es damals eher an Brot als an Messern oder Scheren aus der „Fabrik“.
Mit der Einführung der Gewerbefreiheit gelangten seit 1810 die besseren und preiswerteren Eisenwaren der Grafschaft Mark nach Osten. Wieder blieb die „Fabrik“ auf ihren Messern sitzen. 1821 hatte sich die Zahl der Meister, Gesellen und Lehrburschen auf die Hälfte der Vorkriegszahl reduziert. Verbliebene Meister kauften Zaine auf dem freien Markt. Der Merkantilismus hatte ausgedient, Zünfte waren unzeitgemäß und der Zainhammer wurde nicht mehr gebraucht. Lenz und Unholtz schrieben 1912: „So drängten in diesem Falle [gemeint ist die „Fabrik“] schließlich die Unternehmer seit 1807 selbst, die morsch gewordenen Fesseln des Betriebs zu sprengen; 1824 endlich erfolgte auch hier die Umleitung in ein freies Arbeits- und Besitzverhältnis.“ 4) Damit endete 1824 auch das erste Leben der Zainhammermühle.
Quellen:
1) Schmidt, R. 1934: Eberswalder Handwerkerbuch: Zur Entwicklungsgeschichte der Zünfte und Innungen sowie Einzelhandwerke in der Stadt Eberswalde – Mitteilungen des Vereins für Heimatkunde E. V. zu Eberswalde – Band 10 – Verein für Heimatkunde, Eberswalde – 271 S.
2) Schmidt, R. 1939: Geschichte der Stadt Eberswalde Band 1: Bis zum Jahre 1740. Im Auftrage der Stadtverwaltung verfaßt von Rudolf Schmidt – Verlagsgesellschaft Rudolf Müller, Eberswalde – 459 S.
3) Heynitz, F. A. von 1786: Abhandlung über die Produkte des Mineralreichs in den Königlich-Preussischen Staaten, und über die Mittel, diesen Zweig des Staats-Haushaltes immer mehr empor zu bringen. – G. J. Decker, Berlin – 113 S.
4) Lenz, F. & Unholtz, O. 1912: Die Geschichte des Bankhauses Gebrüder Schickler. Festschrift zum 200jährigen Bestehen. – G. Reimer, Berlin – 94 S.
Eckhard Groll 07.11.2021