Zweites Leben: Die Knochenmühle 1824–1868
Im ersten Arbeitsschritt zerkleinerte man die Knochen grob in einer von der Schwärze angetriebenen Knochenstampfe. Für Knochenmehl mahlte man die Bruchstücke im Mahlstuhl ähnlich einer Kornmühle. Das ergab einen guten Phosphor-Kalzium-Dünger. Oder man brannte die Knochen in abgedichteten gusseisernen Töpfen im Brennofen ähnlich einem Ziegelbrennofen. Hierbei verdampften die organischen Bestandteile der Knochen (Pyrolyse). Übrig blieb dessen anorganische, schwammartige Matrix. Auf ihrer großen inneren, mit Kohlenstoff ausgekleideten Oberfläche beruhte die Filterwirkung. Die abgekühlten Kohlestücke mahlte man schließlich zu Pulver – Knochenkohle, Spodium oder Beinschwarz genannt.
Rund 10 Jahre nach der weitsichtigen Gründung der Knochenmühle am Zainhammer stiegen im Oderbruch die Erträge der Zuckerrübenbauern durch Fruchtwechsel und Mineraldüngung. Folgerichtig entstand 1837 in Croustillier bei Wriezen die erste Zuckerfabrik 4). Um den steigenden Bedarf an Filterkohle zu befriedigen, investierte das Schicklerschen Handelshaus 1845 in einen neuen Knochenbrennofen. Dazu waren 12 000 Taler aus dem Verkauf der „Eisen- und Stahlwarenfabrik“ und der Wohnhäuser der Messerschmiede auf die Mühle gebucht worden.
Im neuen, drei Stockwerke hohen Brennofen wurden die Knochen nicht in Töpfen verkohlt, sondern in senkrecht angeordneten Brennröhren. Der Ofen konnte oben kontinuierlich beschickt und unten entleert werden, ohne dass man dafür den Brennprozess unterbrechen musste. Außerdem konnte man oben die Dämpfe der Pyrolyse abfangen und darin enthaltene Öle, Teer und Ammoniak gewinnen. Die Knochenmühle arbeitete sehr erfolgreich, steigerte ihren jährlichen Ausstoß von Knochenmehl von 220 t (1833) auf 550 t (1850) und lieferte u. a. nach Königsberg (heute Kaliningrad), Danzig (heute Gdańsk) und Stralsund 3). Ob der neue Brennofen die Erwartungen der Unternehmer erfüllte, ist nicht überliefert. Aus dem Umsatz von 80 000 Talern im Jahr 1865 kann man das jedoch schließen.
Die Unternehmer investierten kontinuierlich in den Ausbau der Fabrik und in moderne Technik. Die Betriebsarche mit den Wasserrädern wurde 1850 mit einem Anbau überdacht. Dieser Anbau wurde später als „alte Salmiakfabrik“ bezeichnet! Daneben, im Erdgeschoss standen zwei Mahlstühle und die Knochenstampfe. In der Mitte des inzwischen auf 42 m Länge und 3 Etagen angewachsenen Fabrikgebäudes befand sich der Brennofen. Dazwischen lag das Magazin. Über der Mühle und dem Magazin sowie in der 3. Etage konnten auf ca. 750 m2 Fläche Knochen zum Trocknen gelagert werden. Am Brennofen gab es Werkräume, und eine Treppe verband alle Etagen.
Auf dem Gelände oberhalb der Mühle entstanden nacheinander eine Küche (1851), im Gewölbe darunter ein Labor (1853) und daneben ein Dampfkessel (1863) nebst Kohlenschuppen und Werkstatt. In dieser Zeit wurden die Wasserräder durch eine erste Turbine ersetzt. Auf Befragen schrieb Kaufmann C. F. Doering im Jahre 1864 an die Stadtverwaltung: „…daß die Zainhammerfabrik während der Zeit, wo ich solche verwaltete (1847–1861) und auch in noch früherer Zeit, alljährlich das Schwärzefließ bis zur Vorstadt (= Schicklerstraße) räumen ließ und lag dies auch ganz im Interesse der damaligen Wasserwerke. Jetzt, wo an Stelle der Wasserräder eine Turbine getreten ist, kann der Wasserrückstau den Betrieb nicht mehr behindern, so daß die Räumung des unteren Gerinnes für die Fabrik gerade nicht mehr geboten erscheint.“ 5)
Am 24. Oktober 1866 zerstörte ein Feuer die Zainhammermühle, wobei der Arbeiter Kulicke ums Leben kam 3). Vermutlich um die großen Vorräte an Knochen zu verbrauchen, wurde in einer „interimistischen Fabrik“ bis 1867 weiter produziert. In einer Zeichnung vom 5. Januar 1867 ist die Fabrik auf den Grundriss der alten Mühle beschränkt. Die Wasserturbine, der Brennofen und ein kleiner Trockenofen auf dem Fundament des Dampfkessels sind ebenfalls eingezeichnet.
Das zweite Leben der Zainhammermühle endete am 15. Februar 1868 mit dem Kauf durch Mühlenmeister Eduard Wolff.
Quellen:
1) Lenz, F. & Unholtz, O. 1912: Die Geschichte des Bankhauses Gebrüder Schickler. Festschrift zum 200jährigen Bestehen. – G. Reimer, Berlin – 94 S.
2) Bellermann, J. J. 1829: Neustadt-Eberswalde mit seinen Fabriken, Alterthümern, Heilquellen, Umgebungen und seltenen Pflanzen, mit der Beschreibung des Klosters Chorin, des Cisterzienser-Ordens und der vorhandenen Urkunden. 3 Kupferstiche – Naucks Buchhandlung, Berlin.
3) Schmidt, R. 1912: Eberswalde in Sage und Geschichte, Sitte und Brauch – Festschrift – Reprint 2019 – Niederlausitzer Verlag, Guben.
4) Worch, T. 2008: Oderbruch: Natur und Kultur im östlichen Brandenburg. – 2. Aufl. – Trescher, Berlin.
5) Schmidt, R. 1939: Geschichte der Stadt Eberswalde Band 1: Bis zum Jahre 1740. Im Auftrage der Stadtverwaltung verfaßt von Rudolf Schmidt – Verlagsgesellschaft Rudolf Müller, Eberswalde – 459 S.
Eckhard Groll 07.11.2021